Kinderbetreuung-Wohnnutzung oder Teilgewerbe?
Unabhängig von jeder Rechtsprechung (Einzelfallentscheidung!) besteht der Grundsatz, dass das Sondereigentum ausschließlich zu Wohnzwecken genutzt werden darf. So sollte das auch in jeder Teilungserklärung verankert sein.
Zu beachten sind Zusätze, die eine begrenzte “Öffnungsklausel” darstellen. Vielfach wird formuliert, dass eine gewerbliche oder berufliche Nutzung im Sondereigentum zulässig ist, wenn die beabsichtigte Nutzung den Vorschriften des öffentlichen Rechts nicht widerspricht und wenn für die übrigen Wohnungseigentümer keine Nachteile oder Belästigungen zu erwarten sind, die über das Maß hinausgehen, die auch bei einer intensiveren Wohnnutzung zu erwarten ist.
Wer mag das objektiv bewerten?
Welche Argumente überwiegen?
Betreibt eine “Tagesmutti” mit der Betreuung von Kleinstkindern in der Zeit von 8:00 – 18:00 Uhr eine der reinen Wohnnutzung widersprechenden Kindertagesstätte? Neben dem Lärmpegel in der Wohnung frequentieren deutlich mehr Personen das Gemeinschaftseigentum. Eltern holten ihre Kinder regelmäßig bei laufendem Motor ab. Kriterien, die gegen eine stille gewerbliche Nutzung sprechen.
Doch ist eine, vom Jugendamt genehmigte, tägliche Betreuung von bis zu maximal fünf Kleinkinder bis zum frühen Nachmittag mit einer Kindertagesstätte gleichzusetzen?
Das AG Paderborn hat sich mit seinem Urteil vom 16.08.2022 52 C 9/22 sehr detailliert mit den unterschiedlichen Argumenten auseinandergesetzt. Im konkreten Fall haben die Eigentümer einem Beschlussantrag mehrheitlich zugestimmt, die Tagesbetreuung der Kleinkinder im Sondereigentum zu genehmigen. Bislang sei es zu keinerlei Störungen gekommen. Der Verwalter war nach der Teilungserklärung befugt, die Genehmigung zu erteilen. Als Rückversicherung hatte er die Beschlussfassung angeregt.
Ein Eigentümer verlangte mit seiner Klage den gefassten Beschluss für ungültig zu erklären sowie die Unterlassung der Nutzung der Wohnungen als Kindertagesstätte außergerichtlich und notfalls gerichtlich unter Zuhilfenahme eines Anwaltes durchzusetzen.
Das AG Paderborn stellt fest, dass eine (vorherige) Beschlussfassung der Wohnungseigentümer nach der Teilungserklärung nicht zwingend war. Der Verwalter konnte unabhängig davon seine Entscheidung treffen. Seine Zustimmung hatte er bereits im Jahr 2020 als Vermieter der betreffenden Wohnung gegeben.
Dass von der in den Wohnungen erfolgenden Kinderbetreuung Beeinträchtigungen ausgehen, die mit dem Zweck der Teilungserklärung (Wohnen bis hin zur intensiveren Wohnnutzung) nicht mehr gedeckt sind, konnte das Gericht nicht feststellen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die vom Kläger von der Kinderbetreuung ausgehenden Beeinträchtigungen mehr als vage (gewisser Lärmpegel, regelmäßig laufender Motoren beim Abholen der Kinder, Menschenaufkommen auf dem Gelände der WEG) umschreiben worden sind.
Das Gericht verkennt nicht, dass in ähnlichen Fällen, wie beispielsweise dem Urteil des LG Koblenz vom 23.12.2019 (Az. 2 S 34/19) – allerdings bei von der dortigen Teilungserklärung vorgegebener reiner Wohnnutzung – entscheiden worden ist, dass bereits die mit dem täglichen Bringen und Abholen von fünf Kindern verbundenen Störungen aus dem An- und Abfahrverkehr, Halten, Parken, Rangieren bis hin zu den damit verbundenen Schadstoff-Emissionen zu Beeinträchtigungen führen kann, die über das Maß derjenigen hinausgehen, die bei der Wohnungsnutzung durch eine typische Familie mit mehreren Kindern zu erwarten wäre. Indes war im dortigen Rechtsstreit der klägerische Vortrag zu Beeinträchtigungen sehr viel konkreter.
Bei allen Abwehransprüchen (Abwehr von Störungen) haben die Eigentümer die neue Gesetzeslage beachten. Es gilt weiterhin, dass der einzelne Wohnungseigentümer Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche, die sich auf sein Sondereigentum, oder Sondernutzungsrecht, auswirken, allein geltend machen kann. Zur Abwehr von Störungen des Gemeinschaftseigentums steht nun aber ausschließlich der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Ausübungsbefugnis zu.