“Balkonkraftwerk”-bald privilegierten baulichen Veränderungen gleichgesetzt?
Nach einer Pressemitteilung des Bundesministeriums für Justiz wird es noch in diesem Jahr eine Gesetzesänderung zur vereinfachten Genehmigung von Balkonkraftwerken für Eigentümer und Mieter geben.
„Ausgereifte Steckersolargeräte gibt es längst. Doch die rechtlichen Hürden für ihren Anschluss sind noch zu hoch: gerade im Mietrecht und im Wohnungseigentumsrecht. Das wollen wir ändern.“ Marco Buschmann
Stören wir uns nicht an der Begrifflichkeit, neben dem bislang gebräuchlichen “Balkonkraftwerk” spricht man nun von “Steckersolargerät”,” Mini-Solaranlagen” oder “Steckerfertige Fotovoltaik-Anlagen”.
Das Bundesjustizministerium will Mietern und Wohnungseigentümern die Installation sogenannter Steckersolargeräte erleichtern. Sie sollen einen gesetzlichen Anspruch auf das Anbringen der auch Balkonkraftwerke oder Mini-Solaranlagen genannten Geräte bekommen.
Der Gesetz-Referentenentwurf sieht vor, dass die Steckersolargeräte in die Liste der nach § 20 Abs. 2 WEG privilegierten baulichen Veränderungen aufgenommen werden, auf die Wohnungseigentümer einen Anspruch haben. Im Mietrecht in § 554 Abs. 1 BGB soll die Aufzählung der baulichen Maßnahmen, auf deren Gestattung Mieter einen Anspruch haben, entsprechend ergänzt werden. Die Notwendigkeit, einen Antrag auf Installation beim Vermieter oder der Eigentümerversammlung zu begründen, würde damit entfallen. Von der CDU/CSU-Fraktion liegt außerdem einen “Entwurf eines Gesetzes zum beschleunigten Ausbau von Balkonkraftwerken” vor.
Die Gestattung privilegierter Maßnahmen, nach dem zu ergänzenden § 20 Abs. 2 Satz 1 WEG, liegt nicht in der Hand der Eigentümergemeinschaft. Wohnungseigentümer haben aber einen großen Ermessensspielraum. Sie entscheiden bei den Stecksolargeräten zukünftig nicht über “Ob”, sondern das “Wie”, über die Ausgestaltung.
Mit einer Gesetzesänderung ist im Herbst (September/Oktober) zu rechnen. Bis dahin müssen in den anstehenden Eigentümerversammlungen sich alle Beschlussvorlagen an dem Urteil vom 09.02.2023 des AG Konstanz, 4 C 425/22 WEG orientieren:
Ein Wohnungseigentümer hat keinen Anspruch auf Zustimmung zur Montage eines Balkonkraftwerks. Die Montage einer Fotovoltaik-Anlage auf dem Balkon stellt eine nicht privilegierte bauliche Veränderung dar, die der Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer bedarf (WEMoG § 18 Abs. 2, § 19 Abs. 1, § 20).
Die VON POLL IMMOBILIEN Experten (www.von-poll.de) haben die Hintergründe genauer beleuchtet. Gern geben wir Ihnen die Pressemitteilung der Immobilienexperten zur Kenntnis.
PRESSEMITTEILUNG
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Photovoltaikanlagen am Balkon: Das sollten Wohnungseigentümer beachten
- Kein Anspruch auf Genehmigung: Das Anbringen einer Solaranlage auf dem Balkon stellt eine bauliche Veränderung am Gebäude dar und bedarf der Zustimmung der Wohnungseigentümergemeinschaft
- Paragraph 20 Absatz 2 des Wohnungseigentümergesetzes beinhaltet zwar bauliche Veränderungen für Ladestationen an der Hauswand, jedoch nicht für die Installation von Solaranlagen
- Es wäre dem Gesetzgeber möglich gewesen, den jetzigen Paragraph 20 Absatz 2 Seite 1 WEG zur Bekämpfung des Klimawandels hinsichtlich Photovoltaik- und Solaranlagen sowie energetischen Dämmungen zu ergänzen – aber noch sind diese Punkte nicht verankert
Frankfurt am Main, 14. MÄRZ 2023 – Solaranlagen auf Hausdächern sind längst keine Neuheit mehr. Doch was ist mit Balkonen? Gerade im urbanen Raum ist eine Fläche auf dem Dach oft begrenzt oder nicht vorhanden. Mit einer Solaranlage auf dem Balkon könnte jeder seinen eigenen Strom erzeugen, wäre unabhängiger und könnte einen Beitrag zur Energiewende leisten. Doch darf jeder Wohnungseigentümer eigenmächtig eine Solaranlage an seinen Balkon montieren? Nein, entschied das Amtsgericht Konstanz in seinem Urteil vom 9. Februar 2023 (Az: 4 C 425/22 WEG) zugunsten der anderen Wohnungseigentümer, die in der angebrachten Photovoltaikanlage eine bauliche Veränderung an der Fassade sahen, bei der eine Zustimmung notwendig gewesen wäre.
„Das Amtsgericht Konstanz entschied, dass die Solaranlage durch den Wohneigentümer illegal angebracht wurde, weil keine baulichen Veränderungen am Gebäude ohne Zustimmung der anderen Eigentümer vorgenommen werden dürfen. Eine solche Veränderung stellt die Montage einer Photovoltaikanlage jedoch dar. Zudem sahen es die Richter als erwiesen an, dass der Gesamteindruck der Gebäudefassade durch das schwarze Solar-Paneel optisch beeinträchtigt wurde. Als Maßstab beriefen sie sich auf vergangene Beschlüsse, in denen eine Überdachung, eine Pergola, eine Verglasung, das Anbringen einer Markise, das Aufspannen eines Sonnensegels, eine Lichterkette außen am Balkon, die Überspannung eines Balkongitters mit Stoff oder Plane, Vogel- und Katzennetze sowie eine Solaranlage auf einem Dach ebenso als nicht hinnehmbare Veränderungen eingestuft wurden“, erklärt Tim Wistokat, LL.M., Rechtsanwalt und Head of Legal Department bei VON POLL IMMOBILIEN.
In dem verhandelten Fall haben Mutter und Tochter ihre gemeinsame Eigentumswohnung in einem Mehrfamilienhaus mit 34 Wohneinheiten an ihren Sohn beziehungsweise Enkel vermietet. Dieser hat mit ihrer Zustimmung, jedoch ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer, an der Außenseite des Balkons eine Mini-Solaranlage inklusive Wechselrichter anbringen lassen. Bei einer Eigentümerversammlung wurde mehrheitlich gegen die Genehmigung des Balkonkraftwerkes gestimmt. Nach Ansicht der anderen Eigentümer entstünde durch das Anbringen der Solaranlage ein „Zahnlückenanblick“ und der störe das architektonische Gesamtbild der Fassade sichtbar.
Eine optische Beeinträchtigung der Fassade wiesen die Klägerinnen wiederum zurück, da die Fassade bereits mit verschiedenen Farben, inhomogenen Markisen und uneinheitlichen Balkonkästen versehen ist. Die Klägerinnen wollten zudem einen Anspruch auf Genehmigung der Photovoltaikanlage geltend machen und bezogen sich dabei auf Paragraph 20 Absatz 2 des Wohnungseigentümergesetzes (WEG), der die umfassend baulichen Veränderungen für Ladestationen, sogenannte Wall-Boxen, an der Wand beinhaltet. Schließlich könne der Mieter der Klägerinnen sein E-Bike durch die Photovoltaikanlage laden. Zudem sei auch Klimaschutz und das Einsparen von Energie nach Artikel 20a des Grundgesetzes (GG) ein Staatsziel und diene dem öffentlichen Interesse.
Kein Anspruch auf Genehmigung
Das Amtsgericht Konstanz hat die Klage als unbegründet abgewiesen, da kein Anspruch auf Genehmigung eines Balkonkraftwerks besteht und bezieht sich dabei auf Paragraph 20 Absatz 1 WEG, der eine sogenannte Bausperre für baulichen Veränderungen ohne Zustimmung der anderen Eigentümer enthält.
„Den Vergleich zu den erlaubten Wall-Boxen nach Paragraph 20 Absatz 2 Seite 1 Nummer 2 WEG weist das Gericht ebenfalls zurück. In der Begründung beziehen sich die Richter auf den Wortlaut des ‚Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes und zur Änderung von Kosten- und grundbuchrechtlichen Vorschriften‘, aus dem bereits entnommen werden könne, dass es beim Aspekt des Klimaschutzes nur um das Aufladen von E-Autos zu Hause ginge“, führt der Rechtsexperte Wistokat aus.
Zusätzlich weisen die Richter aber auch darauf hin, dass es dem Gesetzgeber möglich gewesen wäre, in Paragraph 20 WEG einen eigenen Absatz Klimaschutz als allgemein privilegiert aufzunehmen. Oder der jetzige Paragraph 20 Absatz 2 Seite 1 WEG könnte um konkrete weitere Vorhaben ergänzt werden, die der Bekämpfung des Klimawandels dienen. Hierzu zählen Photovoltaik- und Solaranlagen ebenso wie energetische Dämmungen.
Fazit
„Das Amtsgericht Konstanz stellte fest, dass Wohnungseigentümer keinen Anspruch auf eine Genehmigung einer Solaranlage auf dem Balkon in einer Wohnungseigentümergemeinschaft erheben können. Ohne Zustimmung der anderen Eigentümer darf eine solche Anlage auf einem Balkon nicht montiert werden. Auch weist das Gericht den Vergleich zu den genehmigten Wall-Boxen zurück, da das entsprechende Gesetz bisher nur das Aufladen von E-Autos zu Hause beinhaltet“, resümiert Tim Wistokat von VON POLL IMMOBILIEN.