Sozialadäquates Verhalten oder ruhestörender Lärm?

(Die Unterlagen zum Verfahren hat der Kläger dem VDWE zur Verfügung gestellt)

Der Kläger und seine Familie fühlen sich seit Jahren durch einen nicht länger hinzunehmenden Lärm aus der Wohnung über ihnen um den Schlaf gebracht.

Das Landgericht Stuttgart (Beschluss) hatte zu bewerten, ob eine hinzunehmende Toleranzgrenze überschritten wird.

Der Kläger stützt seine Behauptung auf den Einsatz eines Messgeräts. Das Lärmprotokoll zeigt für den Zeitraum 11.04.2021 und 31.05.2021 so gut wie tägliche Lärmstörungen in der Nachtzeit in einem Bereich zwischen 39,8 dB (A) und 56 dB (A).

Er beklagt insbesondere Klopfgeräusche, Türenschlagen, Trittschall, sehr laute Betätigung des Lichtschalters, Alltagsgeräusche, Schlag auf den Boden und andere schlagende Geräusche.

Das Berufungsgericht folgt dem Amtsgericht Stuttgart-Bad Cannstatt, das die Klage mit der Begründung abgewiesen hat, dass die vom Berufungskläger vorgetragenen Geräusche trotz der Überschreitung der Grenzwerte von 40 dB(A) zu Nachtzeit nicht außerhalb der sozialadäquaten Nutzung liegen.

Die Beeinträchtigungen seien nur punktuell und nicht von einer gewissen Dauer. Vereinzelte Geräuschspitzen, wie sie beispielsweise vom Schließen einer Wohnungstüre herrühren könnten, seien noch sozialadäquat.

Unter Berücksichtigung der Umstände des hiesigen Einzelfalls und hauptsächlich unter Abwägung der Art, Qualität, Dauer, Zeit und Häufigkeit der behaupteten Geräuschemissionen sowie der Vermeidbarkeit solcher Emissionen gelangt die Kammer im Einklang mit der Ansicht des Amtsgerichts zu der Wertung, dass die von dem Berufungskläger vorgetragenen, angeblichen Störungen durch die Berufungsbeklagten und deren Familie nicht die Grenzen des sozialadäquaten und damit vom Berufungskläger zu duldenden Verhaltens überschreiten. Dem Berufungskläger stehe daher kein Unterlassungsanspruch zu.

Dass in einer Wohnung mit fünf Personen mit unterschiedlichem Arbeits- bzw. Schulbeginn inklusive eines Schichtarbeiters sich auch Geräusche in den streitgegenständlichen Zeiten entwickeln, versteht sich von selbst. Bei dieser konkreten Wohnsituation, die von einem engen räumlichen Zusammenleben einer Mehrzahl von Personen geprägt ist, ist den Nachbarn bezüglich Lärmstörungen, insbesondere wenn sie von alltäglichen Verrichtungen herrühren, eine erhöhte Toleranzschwelle zuzumuten. Zwangsläufig wird man bei einer solchen Wohnsituation nämlich deutlich mehr von seinen direkten Nachbarn „mitbekommen“ als beispielsweise in einem Gebiet mit Einfamilienhäusern.

Ein besonders geräuschsensibler Betroffener kann keinen höheren Schutz für sich verlangen als ein durchschnittlich geräuschtoleranter Betroffener.

Eine Einzelfallentscheidung, die trotz Lärmprotokoll hinnehmbar ist, wenn sie auch dafür spricht, dass die handelnden Personen eher in Einfamilienhäusern zu Hause sind. Es verwundert, dass der Kläger nicht die Trittschalldämmung thematisiert hat, es sei denn, sie liegt in der im Baujahr zutreffenden Norm, und keine Zeugen der fortgesetzten nächtlichen Ruhestörung unter den Mitbewohnern benennen konnte.