Kritische Bemerkungen zur Kompetenzerweiterung des Verwalters

Der Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) liegt seit August 2019 vor.

Die Arbeitsgruppe hatte den Auftrag zu untersuchen „durch welche gesetzgeberischen Maßnahmen zum Beispiel einem bestehenden Sanierungsstau bei Wohnungseigentumsanlagen, vor allem auch soweit dieser die Gewährleistung der Barrierefreiheit des Wohnens und die Förderung der Elektroenergie behindert, entgegengewirkt werden kann, um damit wertvollen Wohnraum dauerhaft zu erhalten sowie insbesondere in Ballungsgebieten die Erweiterung bestehenden Wohnraums zu erleichtern. Ferner soll geprüft werden, wie gesetzgeberisch eine effizientere Verwaltung des Gemeinschaftseigentums befördert werden kann“.

Die Arbeitsgruppe beschränkte sich thematisch nicht ausschließlich auf den ursprünglichen Auftrag, sondern bewertete viele Rechtsnormen des Wohnungseigentumsgesetzes als grundsätzlich reformbedürftig. Zu diesen Problemfällen hat man im Bericht die derzeitige Rechtslage, auch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung, analysiert, gravierende Probleme dargestellt, und möglichen Lösungsansätzen angeboten, die nicht immer einstimmig gefasst wurden. Es ist ein Arbeitspapier, das diskutiert, ergänzt und in einen Gesetzesentwurf münden soll. Der vollständige Bericht umfasst 108 Seiten.

Bei allen Bemühungen das WE-Gesetz klarer, moderner, und leichter handhabbar zu gestalten wird deutlich, dass in die grundlegenden Rechte einer Wohnungseigentümergemeinschaft eingegriffen werden sollen, was in der angedachten Form unverantwortlich ist. So soll der Verwalter nach den Vorstellungen der Arbeitsgruppe mit weitreichenden Kompetenzen nach Außen und Innen ausgestattet werden. Gegenüber den Wohnungseigentümern soll er weitreichende, zusätzlichen Rechte und Befugnisse erhalten.

 

Im Innenverhältnis sollen die Entscheidungsbefugnisse des Verwalters deutlich gestärkt werden. So soll er eine Generalkompetenz erhalten, ohne Einberufung einer Versammlung in eigener Verantwortung über Maßnahmen zu entscheiden, „bei denen (ihm) die Einberufung einer Versammlung nicht erforderlich oder geboten erscheint“.  Einzeltatbestände seiner Kompetenz, wie im §27 Absatz 1 im bisherigen WEG, werden nicht mehr aufgeführt.

Kann jeder Verwalter selbst entscheiden, welche Maßnahmen er ohne Beschluss der Eigentümer, natürlich auf deren Kosten, plant und umsetzt? Undenkbar bei dem Niveau viel zu vieler Verwaltungen!

Die Arbeitsgruppe spricht den Wohnungseigentümern das Recht zu, die Befugnisse des Verwalters durch Mehrheitsbeschluss erweitern und beschränken zu können. Zu welchem Zeitpunkt könnten denn die Eigentümer in die Befugnisse des Verwalters eingreifen? Doch erst dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Per Gesetz stünden dem Verwalter nicht näher definierte Entscheidungsbefugnisse zu, die im schlimmsten Fall den Eigentümern viel Geld kosten, bevor sie diese Handlungsfreiheit per Beschluss bei der nächsten Eigentümerversammlung wieder eingrenzen können. Bei allem Verständnis die Versammlung nicht mit einer Vielzahl von Kleinstproblemen zu überfrachten höhlt dieser Vorschlag die grundsätzliche Beschlusskompetenz der Eigentümerversammlung aus. Gut ausgebildete Verwalter und interessierte Eigentümergemeinschaften haben dieses Problem seit Jahren, ohne jegliche Gesetzesänderung, gelöst. Die Eigentümergemeinschaft beschließt einen wertmäßig begrenzten Handlungsrahmen für den Verwalter, in dem er eigenständig und eigenverantwortlich handeln kann. So kann er Aufträge bis zum vereinbarten Volumen, beispielhaft 1.000 €, kurzfristig, ohne Beschlussfassung, auslösen, um noch im laufenden Wirtschaftsjahr erforderliche Instandsetzungsmaßnahmen zu beauftragen. LG Frankfurt/Main hat einschränkend mit Beschluss vom 18.04.2019; Az.: 13 S 55/18 dies auf Notmaßnahmen beschränkt, die plötzlich erforderlich wären, so dass es dem Verwalter objektiv unmöglich ist, kurzfristig noch eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen, um über die Maßnahme zu entscheiden.

Die Empfehlung der Arbeitsgruppe ist in diesem Punkt grundsätzlich abzulehnen. Selbst bei einem gesetzlich vorgeschriebenen Sachkundenachweis für Verwalter, der ja mit dem Feigenblatt der nun per Gesetz bestimmten Fortbildungspflicht ad acta gelegt wurde, ändert sich nichts an der geplanten Verschiebung der rechtlich verbrieften Kompetenz des Eigentümers.

Der Verwalter ist der Dienstleister der Eigentümergemeinschaft, dafür wird er von ihnen bezahlt. Ihn bei diesem Ausbildungsgrad einen höheren Stellenwert zukommen zu lassen ist unverantwortlich.

Die Frage, ob dem Verwalter im Außenverhältnis eine grundsätzlich unbeschränkte Vertretungsmacht zugesprochen werden kann, bleibt im Abschlussbericht offen. Die Arbeitsgruppe ist selbst unschlüssig und regt an, eine Beschränkung für einzelne Rechtsgeschäfte, in Anlehnung an die Reichweite der Prokura, zu prüfen.  Hier müssen die Juristen zusätzliche Argumente liefern, um Vor- und Nachteile für den Wohnungseigentümer bewerten zu können.

Lothar Blaschke
Vors. VDWE