Neue Zulassungsbestimmungen für virtueller Wohnungseigentümerversammlungen                                                                                                                      

 Gesetzgebungsverfahren

Entwurf-Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen

Letzte Aktualisierung

  1. September 2023

Erscheinungsjahr

  1. Mai 2023

Das Bundesministerium für Justiz hat am 13. September einen weiteren Schritt im Gesetzgebungsverfahren veröffentlicht:

https://www.bmj.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/DE/2023_Online-Versammlungen_Steckersolargeraete_Dienstbarkeiten.html

  • Problem und Ziel

Nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) können Wohnungseigentümerversammlungen derzeit lediglich als Präsenzversammlungen abgehalten werden oder in hybrider Form stattfinden, also als Präsenzveranstaltung mit Online-Teilnahmemöglichkeit. Eine rein virtuelle Versammlung ohne Teilnahmemöglichkeit in Präsenz ist hingegen nur möglich, wenn die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Die Durchführung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen soll erleichtert werden.

Die Handschrift des Referentenentwurfs verrät den „Ghostwriter“, die (der) Verwalterverband-hier der VDIV. Der Verband der Immobilienverwalter Deutschland e. V. (VDIV Deutschland) behauptet von sich, als Spitzenverband der Branche bundesweit rund 3.600 Mitgliedsunternehmen mit insgesamt etwa 8,2 Millionen Wohnungen zu repräsentieren. Die Mitgliedsunternehmen verwalten circa 75 Prozent des ETW-Bestandes in Deutschland, so der VDIV.

  • Was bezwecken die Verwalter (das Ministerium) mit dieser Initiative?

Durch die virtuelle Versammlung soll die Möglichkeit geschaffen werden, schnelle Entscheidungen (Beschlüsse) zu fassen. Sie findet nach dem Willen des Ministeriums in dieser Form nicht mehr in einem tatsächlich vorhandenen Raum, sondern stattdessen ausschließlich im Internet. Einmal beschlossen, werden nach diesen Plänen alle ETV für die nächsten drei Jahre nur noch im Internet stattfinden können, es sei denn, es kommt zum Zweitbeschluss. Es gibt keinen Weg zurück, obwohl das WEG bereits jetzt neben der Präsenzversammlung eine Hybridversammlung (Präsenz + Internet) vorsieht, wenn die Mehrheit das wünscht.

Die Hürden für einen Beschluss, auf eine reine Internetversammlung umzustellen, sind bewusst niedrig gehalten.
Wohnungseigentümer sollen künftig mit einer Dreiviertelmehrheit der abgegebenen Stimmen beschließen können, dass die Versammlungen ausschließlich im Internet (online) stattfinden beziehungsweise stattfinden können. Wer, weder an der Beschlussfassung in der ETV teilnimmt, noch eine Vollmacht erteilt hat, wäre an Beschluss zur Internetversammlung gebunden.

Der VDIV argumentiert, dass es jedem Wohnungseigentümer zumutbar sei, sich die technischen Voraussetzungen zur Teilnahme und Rechteausübung an der virtuellen Eigentümerversammlung zu schaffen. Sollte es daran scheitern, können man ja zum Nachbarn gehen, oder Familienmitglieder, Freund in Anspruch nehmen. Im Hintergrund ist ein Ausleseverfahren, der stimmberechtigten Eigentümer, zu vermuten. Nach Darstellung der Verwalterverbände sind es gerade die „Alten“, die an einer grundlegenden Sanierung des Gemeinschaftseigentums kein Interesse zeigen. Die Kosten übersteigen den Nutzen in der verbleibenden Lebenszeit. Und gerade für die „Alten“ werden mit der Pflicht zur Onlineteilnahme Hürden aufgebaut, die zu derer Ausgrenzung führen können.

  • Eigentümerrechte durch mit Mehrheit erzwungenen virtuelle WEG-Versammlung nicht gewährleistet

Es gibt keine Notwendigkeit für die vorgeschlagene Gesetzesänderung. Durch die aktuelle Gesetzeslage besteht bereits die Möglichkeit, dass Wohnungseigentümer Eigentümerversammlungen online durchführen können, wenn alle Eigentümer dem Online-Format zugestimmt haben. Außerdem besteht die Möglichkeit, dass Eigentümer online teilnehmen können, wenn die Durchführung hybrider Eigentümerversammlungen mit einfacher Mehrheit beschlossen wurde. Mit dem Quorum von 2⁄3 der abgegebenen Stimmen besteht die latente Gefahr, dass Eigentümern von der Ihrem Recht auf Teilnahme ausgeschlossen werden, die technisch nicht ausreichend bewandert oder ausgerüstet sind.

Fragen/Antworten zum Gesetzesentwurf des Bundesministeriums der Justiz         

  1. Welche Formate sind für die Durchführung von Wohnungseigentümerversammlungen grundsätzlich möglich?

Es ist möglich, eine Wohnungseigentümerversammlung als reine Präsenzversammlung, als Präsenzversammlung mit der Möglichkeit zur Online-Teilnahme („hybride Wohnungseigentümerversammlung“) oder als reine Online-Versammlung („virtuelle Wohnungseigentümerversammlung“) durchzuführen.

  1. Unter welchen Voraussetzungen sind virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen schon heute möglich?

Die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer können eine Vereinbarung treffen, dass die Wohnungseigentümerversammlungen ausschließlich online durchzuführen sind bzw. durch-geführt werden können. Für eine Vereinbarung ist die Zustimmung aller Wohnungseigentümer erforderlich.

  1. Inwieweit sollen virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen künftig erleichtert werden?

Es soll eine Mehrheitsbeschlusskompetenz für die Durchführung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen geschaffen werden. Das bedeutet, dass es möglich werden soll, in einer Wohnungseigentümerversammlung zu beschließen, dass

Wohnungseigentümerversammlungen künftig ausschließlich online stattfinden oder stattfinden können. Erforderlich hierfür ist eine Zustimmung von mindestens drei Vierteln der abgegebenen Stimmen. Für die Ermittlung der Stimmmehrheit sind dabei nur diejenigen Wohnungseigentümer maßgeblich, die an der Beschlussfassung in der Wohnungseigentümerversammlung teilnehmen.

Virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen müssen hinsichtlich Teilnahme und Rechteausübung mit Präsenzversammlungen vergleichbar sein. Der Beschluss über die Durchführung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen kann längstens für eine Dauer von drei Jahren gefasst werden.

  1. Muss beschlossen werden, dass alle Wohnungseigentümerversammlungen als rein virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen durchzuführen sind?

Nein. Es kann sowohl beschlossen werden, dass Wohnungseigentümerversammlungen künftig stets als reine Online-Versammlungen durchzuführen sind, als auch, dass sie als reine Online-Versammlungen durchgeführt werden können. Im letzterem Fall können die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer das konkrete Format für bevorstehende Versammlungen durch Geschäftsordnungsbeschlüsse regeln. Tun sie das nicht, entscheidet der Verwalter im Einzelfall nach pflichtgemäßem Ermessen, ob die Versammlung rein online oder als Präsenzversammlung (ggf. mit Möglichkeit zur Onlineteilnahme, sofern entsprechende Beschlüsse gefasst wurden) durchgeführt werden soll.

  1. Weshalb sieht der Entwurf für die Zulassung virtueller

Wohnungseigentümerversammlungen ein Quorum von 75 Prozent der in der Wohnungseigentümerversammlung abgegebenen Stimmen vor? Weshalb soll eine einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen nicht ausreichen?

Mit dem hohen Quorum von mindestens 75 Prozent abgegebenen Stimmen trägt der Entwurf der besonderen Bedeutung Rechnung, die das Wohnungseigentum typischerweise für viele Wohnungseigentümer hat. Spricht sich in einer Wohnungseigentümerversammlung mindestens eine Dreiviertelmehrheit für reine Online-Versammlungen aus, ist das ein starkes Indiz dafür, dass in dieser Gemeinschaft die Präsenzversammlung nicht für das vorzugswürdige Versammlungsformat gehalten wird.

  1. Ist es möglich, wieder zu Präsenzversammlungen (ggf. mit einer Online-Teilnahmemöglichkeit, also zu einer Hybridversammlung) zurückzukehren?

Ja. Zum einen sieht das Gesetz vor, dass der Beschluss über die Durchführung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen längstens für eine Dauer von drei Jahren gefasst werden kann. Wird kein neuer Beschluss über virtuelle Versammlungen gefasst, sind nach Ablauf dieser Zeit wieder Präsenzversammlungen durchzuführen.

Zum anderen besteht für die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer auch auf vor Ablauf der drei Jahre die Möglichkeit, die Rückkehr zu Präsenzversammlungen (ggf. mit Online-Teilnahmemöglichkeit) zu beschließen (sogenannter Zweitbeschluss).

  1. Wird die geplante Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen Minderheitenrechte sicherstellen?

Ja. Virtuelle Wohnungseigentümerversammlungen müssen hinsichtlich Teilnahme und Rechteausübung mit Präsenzversammlungen vergleichbar sein. Technisch erfordert dies die

Durchführung einer Videokonferenz. Hinsichtlich der Rechteausübung bedeutet es, dass die Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer alle Rechte ausüben können müssen (etwa Rederecht, Fragerecht, Recht zur Antragstellung, Stimmrecht).

Daneben schützen das Quorum von 75 Prozent und die Befristung auf drei Jahre Minderheiten, die virtuelle Versammlungen nicht für das beste Austauschformat halten. Im Hinblick da-rauf, dass alle Beschlussgegenstände einer Wohnungseigentümerversammlung bei der Einberufung der Versammlung genannt werden müssen, ist sichergestellt, dass niemand von einer bevorstehenden Beschlussfassung überrascht wird, sondern es jeder Wohnungseigentümer und jeder Wohnungseigentümer in der Hand hat, an der Wohnungseigentümerversammlung, der Diskussion und der Beschlussfassung selber oder durch einen Vertreter teil-zunehmen und so die Angelegenheiten der Wohnungseigentümerinnen und -eigentümer mitzugestalten.

  1. Kann man sich in einer virtuellen Wohnungseigentümerversammlung vertreten lassen?

Insoweit gelten von Gesetzes wegen die gleichen Regeln wie für andere Formate der Wohnungseigentümerversammlung: Eine Vertretung ist möglich. Sie kann durch eine Vereinbarung aller Wohnungseigentümer auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt werden.